Urlaub ohne schlechtes Gewissen?

So funktioniert nachhaltiges Reisen

In einer Zeit, in der der Klimawandel unaufhaltsam voranschreitet, Hass gegenüber fremden Kulturen die Gesellschaft spaltet und die Kluft zwischen Arm und Reich immer  größer wird, stellt sich die Frage, ob Reisen 2024 moralisch noch vertretbar sind. Mit all dem Wissen und den zahlreichen Reisemöglichkeiten, die wir in unserer privilegierten Situation in Österreich genießen, geht doch eine gewisse soziale und ökologische Verantwortung einher… oder? Doch bei wem liegt diese Verantwortung am Ende wirklich, bei den Verbraucher:innen oder in der Politik? Das SOFA Magazin hat sich gefragt, wie man heutzutage eine Reise unternehmen kann, ohne seine Prinzipien über Bord zu werfen. Und wie man am besten nachhaltig und respektvoll reisen kann. 

Die Antwort auf all diese Fragen ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab. Es ist unbestritten, dass Tourismus enorme ökologische Fußabdrücke hinterlässt. Flugreisen, Kreuzfahrtschiffe und auch Autoausflüge tragen erheblich zu den globalen CO₂-Emissionen bei. Dennoch hat Reisen auch positive Aspekte, wie den kulturellen Austausch und die wirtschaftliche Unterstützung der besuchten Länder.

Um euch Möglichkeiten vorzustellen, möglichst nachhaltig zu reisen, sollten wir zunächst das Konzept des nachhaltigen Reisens verstehen. Laut dem Duden bedeutet Nachhaltigkeit, dass nur so viele Ressourcen verbraucht werden dürfen, wie sich regenerieren oder künftig wieder bereitgestellt werden können. Dieses Prinzip zielt darauf ab, die natürliche Regenerationsfähigkeit zu erhalten und langfristig die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Es basiert auf drei zentralen Säulen: Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Beim nachhaltigen Reisen spielen folglich mehrere Faktoren eine Rolle: die Wahl der Transportmittel für An- und Abreise, die Unterkunft, der Umgang mit der Umwelt und der respektvolle Kontakt mit den Einheimischen und ihrer Kultur. Begriffe wie „Ökotourismus“ und „Sanfter Tourismus“ tauchen in diesem Zusammenhang häufig auf. Ökotourismus fokussiert sich auf den Umweltschutz im Reiseland, während Sanfter Tourismus den verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen und Traditionen des Ziellandes betont.

In der Praxis bedeutet nachhaltiges Reisen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Schutz der Erde, Menschen und Umwelt fördern. Dabei ist es wichtig, sich an lokale Gepflogenheiten anzupassen und die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Natur und die Gesellschaft des Reiseziels zu minimieren.

Wenn ihr für diesen Sommer noch ein Reiseziel sucht, könnt ihr euch an folgenden Aspekten orientieren.

Schutz der Ökosysteme

Viele beliebte Reiseziele leiden unter den Auswirkungen des Massentourismus. Naturparks und fragile Ökosysteme werden durch den Ansturm von Besucher:innen oft stark belastet. Hier gilt es, verantwortungsbewusst zu handeln, weniger frequentierte Orte zu besuchen und auf Aktivitäten zu verzichten, die der Umwelt schaden. Wenn ihr einen Ausflug macht, solltet ihr euren Müll hinterher entsorgen und nur befestigte Wege benutzen, anstatt auf Pflanzen zu treten. Oder ihr nehmt sogar an einem Naturschutzprojekt teil. Über Seiten, wie „workaway“ könnt ihr im Gegenzug für eure Mithilfe und Arbeit meistens kostenfrei unterkommen und werdet je nach Angebot auch mit Essen versorgt. Damit handelt es sich also nicht nur um eine sehr nachhaltige, sondern auch um eine kostengünstige Art der Reise.

Respekt vor der Kultur

Auch der respektvolle Umgang mit lokalen Kulturen und Traditionen ist unerlässlich. Tourist:innen sollten sich über die Sitten und Gebräuche ihres Reiseziels informieren und diese respektieren, um die Einheimischen nicht zu stören oder deren Lebensweise negativ zu beeinflussen. Somit könnt ihr bei der Wahl eines Reiseortes auf örtliche Gegebenheiten achten und einschätzen, ob ihr euch damit wohlfühlt. Denn wer ein anderes Land besucht, besonders eines, das weit entfernt ist, muss damit rechnen, auf andere Bräuche und Gepflogenheiten zu stoßen, als er oder sie es von Zuhause gewohnt ist. Kultureller Austausch ist wichtig und kann sehr bereichernd sein, doch dabei darf nie vergessen werden, dass man zu Gast ist und einander respektieren sollte. 

Wirtschaftliche Lage

Ökonomische Aspekte spielen bei der Wahl eines Reiseziels ebenso eine wichtige Rolle. Ihr solltet also versuchen, dass eure Reise keine Ausbeutung der lokalen Bevölkerung nach sich zieht. Dies kann durch die Wahl von Unterkünften und Anbieter:innen geschehen, die faire Löhne zahlen und nachhaltige Praktiken anwenden. Als Reisende solltet ihr lokale Geschäfte unterstützen, in regionalen Restaurants essen und so die einheimische Wirtschaft stärken. Dabei ist es wichtig, auch Trinkgeld zu geben, sofern dies vor Ort üblich ist, da viele Angestellte auf diese Zusatzeinnahmen angewiesen sind. Dies stellt sicher, dass die lokale Bevölkerung direkt vom Tourismus profitiert, besonders weil die Löhne oft niedrig sind.

Entfernung des Ziellandes

Schließlich spielt die Entfernung eures Reiseziels eine große Rolle bei der Frage nach der Nachhaltigkeit, denn sie beeinflusst die Wahl des Verkehrsmittels. Am umweltfreundlichsten ist es, das Flugzeug zu vermeiden und stattdessen den Zug oder den Reisebus zu wählen. Auch Car Sharing ist eine gute Option, um die Anzahl der Personen in einem Auto zu maximieren. Am nachhaltigsten sind natürlich Fahrrad- oder Wanderreisen, die man direkt von zu Hause aus antreten kann. Damit sind also insbesondere solche Reisen am nachhaltigsten, für die keine große Entfernung überbrückt werden muss. Besonders verwerflich sind somit Flugreisen ins Nachbarland.

Doch sollte man hier mit den Verbraucher:innen nicht zu hart ins Gericht gehen. Gerade als Student:in entscheidet man sich häufig für die günstigste Variante. Und wenn ein Flug die Hälfte einer Zugreise kostet und dabei noch viel schneller und unkomplizierter ist, ist es fahrlässig an den moralischen Kompass der Reisenden zu appellieren. Denn wie kann es sein, dass man für 10 € einen Ryanair Flug nach Spanien buchen kann, während es mit dem Zug nicht nur ewig dauern würde, einen zahlreiche Umstiege erwarten und man am Ende viel mehr Geld ausgibt? Greenpeace veröffentlicht 2023 eine Vergleichsanalyse, die besagt, dass Bahnfahrer:innen rund 50 Prozent mehr zahlen als Flugreisende. Besonders wer kurzfristig bucht, für die oder den ist Bahnfahren oft kostspielig. Klar, könnte man nun sagen, dass eben nur diejenigen reisen dürfen, die sich das nachhaltigere Verkehrsmittel leisten können. Wenn aber neben dem Preis auch noch der Komfort leidet, kann man durchaus nachvollziehen, dass sich viele Personen für einen Flug entscheiden würden.

Und auch weitere Probleme können politisch zumindest eingedämmt werden. Deutschlandfunk Kultur wirft ein Licht auf Tourist:innen, die Nationalparks zumüllen und damit die Natur in den bereisten Ländern zerstören. Einige Länder richten daraufhin die sogenannte Tourist:innensteuer ein. Eine Steuer, die beim Einreisen bezahlt werden muss, um etwaige Schäden, die durch den Tourismus entstehen, wieder auszugleichen. In Österreich gibt es dafür in den meisten Kurorten und Gemeinden die Kurtaxe. 

An diesem Beispiel wird deutlich, dass es politische Konventionen geben muss, um nachhaltiges Reisen zu fördern.

In Deutschland startete man 2022 das Experiment des 9-Euro-Tickets. In Besitz dieses Tickets durfte man einen Monat lang ganz Deutschland mit den Regionalzügen der Deutschen Bahn bereisen. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel in den besuchten Städten waren inkludiert. Leider wurde das Konzept nach zwei Monaten Probezeit wieder abgeschafft (und mittlerweile durch das 49-Euro-Ticket ersetzt). Die Begründung war mitunter, dass dennoch viele Personen ihre Autos nutzten. Nicht betont wurde, dass dank des Tickets besonders finanziell schwache Familien und Einzelpersonen die Möglichkeit hatten, in dieser Zeit Reisen innerhalb Deutschlands anzutreten. Ein ähnliches Konzept existiert in Österreich mit dem Klimaticket. Da es recht viel kostet, lohnt sich das Ticket aber nur, wenn man häufig innerhalb Österreichs unterwegs ist. Wenn man aber beruflich oder privat einige Male im Jahr mit der Bahn fährt, kann man mit dem Ticket viel Geld sparen und wird ermutigt häufiger mit dem Zug zu fahren, anstatt das Auto zu nehmen. Würde man solche Ticketabonnements europaweit stärker politisch subventionieren, stiegen insgesamt mehr Menschen auf Bahnreisen um.

Doch die Politik sollte nicht nur in fairere Preise für Zugtickets investieren. In den letzten Jahren gab es in einigen europäischen Ländern Bestrebungen, Schienennetzwerke zurückzubauen oder Strecken stillzulegen, anstatt sie auszubauen. Dies betrifft vor allem ländliche und weniger frequentierte Gebiete, die nicht die gleichen wirtschaftlichen Vorteile bieten, wie stark frequentierte Routen. Länder wie Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien haben in bestimmten Regionen Zugstrecken reduziert oder ganz aufgegeben. Dieser Rückbau von Schienennetzen führte folglich zu einer erhöhten Nutzung von Autos und Bussen. Darüber hinaus verstärkte er die Isolation ländlicher Gebiete. Das bedeutet, dass insbesondere kleinere Städte oder Dörfer oftmals viel besser mit dem Auto zu erreichen sind als mit dem Zug. Um eine nachhaltigere Zukunft zu sichern, ist es daher wichtig, in den Ausbau und die Modernisierung der Schienennetze zu investieren, insbesondere in ländlichen und unterversorgten Regionen.

Auch verbesserte Vorteilskartensysteme könnten dazu beitragen, dass künftig mehr Personen auf grüne Verkehrsmittel umsteigen. Wenn man zum Beispiel mit dem Nachtzug fahren möchte, bekommt man mit der ÖBB Vorteilskarte keine Ermäßigungen für die Liege- oder Schlafwagen. Somit müsste man, wenn man wenig Geld zur Verfügung hat, die Nachtzugfahrt mit nur einem Sitz antreten, was wiederum so wenig Komfort bietet, dass ein Flug erneut als bessere Lösung erscheinen könnte.

Somit gibt es also einige Faktoren, die wir als Reisende kaum beeinflussen können, beziehungsweise, wo es politische Maßnahmen bedarf. Nichtsdestotrotz möchten wir euch drei besonders nachhaltige Reisekonzepte vorstellen, die ihr diesen Sommer ohne schlechtes Gewissen verwirklichen könntet.

  • Wandertouren und Fahrradurlaube: Diese Art des Reisens ist nicht nur umweltfreundlich, sondern ermöglicht auch einzigartige Naturerlebnisse und eine besondere Verbundenheit mit der Umgebung. Man bekommt eine richtige Auszeit von Arbeit, Bildschirmen sowie Stress und kann das bereiste Land intensiv erkunden.
  • Ökotourismus: Ökotourismus umfasst Reisen zu nachhaltigen Unterkünften, die sich um den Schutz der lokalen Umwelt und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung bemühen. Die Möglichkeiten hier sind vielfältig und reichen von Gipfelexpeditionen auf dem Kilimandscharo über Aufräumprogramme in Thailand, hin zur freiwilligen Arbeit in den Regenwäldern Mittelamerikas.
  • Nahreisen: Das bedeutet Urlaub im eigenen Land oder in benachbarten Regionen, die mit dem Zug oder Bus oder sogar mit dem Fahrrad erreicht werden können. Auch ein beliebter Trend ist es, einfach zu Fuß von zu Hause loszuwandern. So könntet ihr dieses Jahr den Höhen- und Panoramaweg alpannonia wandern – von Österreich nach Ungarn. 

Nachhaltiges Reisen ist allerdings mehr als nur ein Trend – es ist eine Notwendigkeit in unserer heutigen Welt. Indem wir bewusste Entscheidungen treffen, können wir die negativen Auswirkungen des Tourismus minimieren und gleichzeitig die positiven Aspekte wie den kulturellen Austausch und die wirtschaftliche Unterstützung fördern. Die Entscheidung, ob man eine gewisse Reise antritt oder nicht, muss jede:r für sich selbst treffen. Während sich manche dafür entscheiden, plastikfrei einzukaufen, Second-Hand zu shoppen oder alles mit dem Fahrrad zu fahren, achten andere bei ihren Reisen auf den ökologischen Fußabdruck. Wichtig ist, dass man über seine Entscheidungen gut nachdenkt und sich überlegt, ob man diese mit dem Gewissen vereinbaren kann. Die Verantwortung liegt dabei sowohl bei uns Reisenden als auch insbesondere bei der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die nachhaltiges Reisen erleichtern. Letztlich geht es darum, dass auch zukünftige Generationen die Schönheit und Vielfalt unseres Planeten genießen können.

In diesem Sinne wünschen wir euch einen tollen Sommer mit vielen erholsamen und nachhaltigen Reisen!