Warum Stalking-Apps und Apple Air Tags eine lebensgefährliche Bedrohung für Frauen sein können

Zuletzt aktualisiert:

Wie setzen Täter in Österreich digitale Technologien wie GPS-Tracking und Spyware ein, um Frauen zu überwachen und zu belästigen? Und wie können wir uns davor schützen? Wir haben uns eine Podiumsdiskussion auf der re:publica besucht und zeigen die Gefahren, die sich hinter der digitalen Gewalt verbergen.

Auf der re:publica 2024 gab es zum Thema „Stalking und Tracking: Warum digitale Gewalt für Frauen lebensgefährlich ist“ eine Podiumsdiskussion mit den Expertinnen Sonja Peterander (Journalistin), Asha Hedayatim (Rechtsanwältin für Familienrecht), Sina Laubenstein (Politikwissenschaftlerin und Referentin für Freiheitsrechte) und Chris Köver (Redakteurin). 

In der heutigen digitalen Ära haben technologische Fortschritte viele Aspekte unseres Lebens verbessert. Allerdings bringen sie auch neue Gefahren mit sich, insbesondere für Frauen. Stalking und Tracking sind Facetten der digitalen Gewalt, die gerade durch Apple Air Tags und Stalking Apps eine zunehmende Herausforderung mit sich bringen. Diese Formen der Überwachung und Belästigung sind nicht nur für Betroffene enorm traumatisierend, sondern können auch lebensgefährlich sein. Denn es ist noch nie so einfach gewesen, jemanden digital zu überwachen– und das kann in den schlimmsten Fällen sogar zu Mord führen.

Eine große Rolle spielt hier Google: Nehmen wir mal an, wir tippen in das Google Suchfeld „Handy Freundin“ ein – die Resultate sind erschreckend. Die Google Suchvorschläge nehmen als Referenzwert immer das meist Gesuchte. Das Ergebnis seht ihr hier:

Bei diesem Beispiel wird klar, dass Google durch die Suchvorschläge potenzielle Täter auf Tracking und Stalking Apps aufmerksam machen kann. Absurd, oder?

Was ist digitales Stalking und Tracking?

Digitales Stalking und Tracking umfassen eine Reihe von Aktivitäten, bei denen Technologie genutzt wird, um eine Person ohne deren Wissen oder Zustimmung zu überwachen und zu belästigen. Dazu gehören das Verfolgen von Standortdaten über GPS, das Überwachen von Online-Aktivitäten, das Hacken von Geräten und das Verwenden von Spyware, um private Informationen zu sammeln. Das kann auf verschiedene Weise ausgeführt werden:

1. GPS-Tracking:  Geräte wie Smartphones und Autos sind oft mit GPS ausgestattet, was es Tätern ermöglicht, den Standort ihrer Opfer in Echtzeit zu verfolgen. Bestes Beispiel dafür sind die Air Tags, die Apple 2021 auf den Markt brachte.

2. Spyware: Softwares, die heimlich auf Computern oder Mobilgeräten installiert werden, um persönliche Daten zu stehlen oder Aktivitäten zu überwachen. Hersteller:innen haben sie unter dem Deckmantel entwickelt, dass Eltern damit ihre Kinder überwachen können – sie werden jedoch von Männern missbraucht, das Handy ihrer Partnerinnen, ohne deren Zustimmung oder Wissen zu überwachen.

3. Tracking durch Online-Accounts: es gibt auch Softwares, die mit dem Google-Konto oder anderen Social-Media Accounts verknüpft sind – wieso das ein Problem ist, dazu später mehr.

Wie sehr betrifft dieses Thema Österreich?

Eine Studie der Europäischen Union aus dem Jahr 2020 zeigte, dass etwa 11 Prozent der Frauen in Österreich bereits Opfer von Stalking wurden. Dabei sind digitale Formen des Stalkings auf dem Vormarsch. Laut einer Umfrage der Österreichischen Frauenhelpline wurden 2019 über 70 Prozent der Anrufe im Zusammenhang mit Stalking durch digitale Methoden ergänzt oder vollständig ausgeführt.

Die Auswirkungen dieser Formen der digitalen Gewalt sind gravierend. Frauen berichten von schwerwiegenden psychologischen Folgen wie Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Depressionen. Die ständige Überwachung und Bedrohung führen zu einem tiefen Gefühl der Unsicherheit und Hilflosigkeit. In extremen Fällen kann digitales Stalking auch zu physischen Übergriffen führen, da Täter genaue Informationen über den Aufenthaltsort ihrer Opfer erhalten.

Die Gefährdung durch digitale Gewalt

Die digitale Gewalt erhöht die Gefährdung von Frauen erheblich, da sie den Tätern eine ständige und oft unsichtbare Präsenz ermöglicht. Ein Fall in Österreich verdeutlicht dies: Im Jahr 2021 wurde eine Frau in Wien von ihrem Ex-Partner über Monate hinweg digital überwacht. Er nutzte GPS-Tracker und Spyware, um ihre Bewegungen zu verfolgen und private Nachrichten abzufangen. Diese Informationen nutzte er, um sie schließlich physisch anzugreifen. Der Täter konnte genau planen, wann und wo er zuschlagen würde, was die Angriffe umso gefährlicher machte.

In Deutschland spielen sich ähnliche Szenarien ab. Chris Köver verdeutlichte das Problem – jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland seine Freundin oder Ex-Freundin zu ermorden, an jedem dritten Tag gelingt es. Apple Air Tags und Stalking Apps spielen auch hier eine bedeutende Rolle.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich

Österreich hat in den letzten Jahren rechtliche Schritte eingeleitet, um digitale Gewalt einzudämmen. Das Stalking-Gesetz, das 2006 eingeführt wurde, umfasst auch Formen des digitalen Stalkings. Es sieht Strafen vor, die von Geldbußen bis hin zu mehrjährigen Haftstrafen reichen. Zusätzlich gibt es seit 2018 das „Anti-Stalking-Paket“, das spezielle Maßnahmen zum Schutz der Opfer vorsieht, darunter einstweilige Verfügungen und Schutzanordnungen.

Ein richtiges Gesetz, das sich ausschließlich mit der digitalen Gewalt auseinandersetzt, gibt es jedoch nicht.

Bin ich von digitaler Gewalt betroffen?

Digitale Gewalt kann subtil und schwer zu erkennen sein. Betroffene sind sich oft nicht bewusst, dass sie Opfer geworden sind.

Einige der häufigsten Anzeichen sind:

1. Unbekannte Apps oder Software: Wenn auf dem eigenen Gerät Anwendungen installiert sind, die man nicht selbst heruntergeladen hat.

2. Batterieverbrauch und Datenverbrauch: Ein plötzlich erhöhter Batterie- oder Datenverbrauch kann darauf hinweisen, dass Spyware aktiv ist.

3. Ungewöhnliche Aktivität in sozialen Netzwerken: Unbekannte Logins oder verdächtige Nachrichten an Freund:innen und Familie.

4. GPS-Standortmeldungen: Plötzliches Erscheinen des Täters an Orten, an denen man sich aufhält, ohne dass man den Standort mitgeteilt hat.

5. Unbekannte E-Mails oder Textnachrichten: Phishing-Versuche oder ungewöhnliche Nachrichten, die persönliche Informationen abfragen.

Wie können wir es besser machen?

Neben Gesetzen und Verordnungen – die es eben bis heute NICHT gibt – muss vor allem die Gesellschaft sensibilisiert und aufgeklärt werden. Betroffene erzählen davon, dass sie oft von staatlichen Institutionen nicht ernst genommen werden, meist fühlten sie sich ausgelacht und bloßgestellt. Dieser Zustand muss sich ändern. Und dafür muss mehr Wissen vermittelt und Bildungsprogramme gefördert werden.

Frauenhäuser und erste Anlaufstellen für Betroffene sind oft mit der Situation überfordert und können den Grad der Auswirkungen von digitaler Gewalt zum Teil nicht einschätzen. Es fehlen Ressourcen – personell sowie finanziell. Dass die Stellen nichts dafür können, da die Problematik eine höhere Ebene betrifft, ist klar. Das ändert aber nichts für die Betroffenen.

Ich brauche Hilfe – an wen kann ich mich wenden?

Frauen, die von digitaler Gewalt betroffen sind, können sich an verschiedene Organisationen und Einrichtungen wenden:

1. Österreichische Frauenhelpline: Die Frauenhelpline bietet rund um die Uhr Unterstützung und Beratung für Opfer von Gewalt. Telefon: 0800 222 555.

2. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: Diese Stelle bietet spezialisierte Unterstützung und Beratung, insbesondere in Fällen von häuslicher und digitaler Gewalt.

3. Gewaltschutzzentrum Österreich: Das Zentrum bietet rechtliche Beratung und Unterstützung für Opfer von Gewalt. Website: [gewaltschutzzentrum.at] (https://www.gewaltschutzzentrum.at).

4. Saferinternet.at: Diese Plattform bietet Informationen und Hilfestellungen zum sicheren Umgang mit dem Internet und digitaler Technologie.

Technologische Fortschritte können ebenso genutzt werden, um sich besser zu schützen. Verschiedene Apps und Tools wurden entwickelt, um Stalking und Tracking zu verhindern. Zum Beispiel können Anti-Spyware-Programme dabei helfen, unerwünschte Überwachungssoftware zu erkennen und zu entfernen. Spezielle Sicherheits-Apps bieten Funktionen wie Notfallalarme und das Teilen von Standortinformationen mit vertrauenswürdigen Personen.

Ein Beispiel ist die App „Staying Safe“, die von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie empfohlen wird. Diese App bietet Betroffenen von häuslicher und digitaler Gewalt schnelle Hilfe und eine sichere Möglichkeit, Unterstützung zu suchen.

Wie soll es weitergehen?

Es ist erschüttert, dass auch die jungen Mitglieder unserer Gesellschaft schon von digitaler Gewalt betroffen sind. Stalking-Apps, die eigentlich dafür programmiert wurden, Kinder bei ihren Online-Aktivitäten zu überwachen, normalisieren das Ganze. Kinder sind es dadurch gewohnt, überwacht zu werden und gewöhnen sich an den Zustand. Da beginnt schon die Problematik – es wird normal. Falls diese Kinder später einmal Opfer von digitaler Gewalt in Form von Stalking werden, sind sie schon so daran gewöhnt, dass sie die Absurdität gar nicht wahrnehmen und direkt in das offene Messer laufen. 

Doch eine entscheidende Frage bleibt: Ist Tracking bereits normal? Es liegt an uns, genau hinzuschauen und zu hinterfragen, ob wir die Grenzen des Privaten bereits so weit aufgeweicht haben, dass Überwachung zur Norm geworden ist. Nur durch ein kritisches Bewusstsein und Aufklärung können wir verhindern, dass eine Generation heranwächst, die Überwachung als selbstverständlichen Teil ihres Lebens akzeptiert. Hoffentlich konnten der Vortrag auf der re:publica und auch dieser Artikel ihren Teil dazu beitragen.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert