Recht, Waage, Hammer, Richtertisch mit Hammer und Waage
Foto von Sora Shimazaki

Die Sofa-Nachhilfe: Arbeitsrecht

für Anfänger:innen

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Immer wieder bin ich überrascht, wie wenig JUNGE Arbeitnehmer:innen über ihre Rechte (und Pflichten) in der Arbeitswelt wissen. Mit fast 30 Jahren fasziniert es mich außerdem, dass ich zum einen, zu den alten Hasen im Studium gehören soll, zum anderen, dass der Begriff Berufsanfänger:in nach acht Jahren im Berufsleben wohl nicht mehr ganz zutrifft. Wenn ich also schon als Omi- Arbeitnehmerin gelte, then let me share my wisdom.

Keine Angst, ich erkläre euch jetzt nicht, dass Paragrafen zum Arbeitswesen super spannend sind, wenn man sich nur etwas einliest. Vielmehr will ich euch einen kurzen Leitfaden geben, damit ihr bei fragwürdigen Augenblicken die richtige Antwort parat habt:  

1. Der Liebesbrief: Arbeitsvertrag und Bedingungen 

Okay, zugegeben „Liebesbrief“ ist romantischer ausgedruckt als die Realität. Hat ein Arbeitsvertrag doch mehr Rechtschreibung und weniger Herzchen. Nennen wir ihn Ehevertrag. Ihr müsst auf Dinge wie Anfang, Dauer und Pflichten achten:

  • Die Arbeitszeit mit eventuellen Gleitzeitregelungen. Achte hier immer auf die Kernzeit. Gleitzeitregelungen klingen oft vielversprechender, als sie in Wahrheit sind. Schau auf Befristungen und Kündigungsfrist.
  • Urlaubstage: Gesetzlich stehen dir bei einer Vollzeitarbeitsstelle 25 Tage Urlaub im Jahr zur Verfügung. Du kannst aber immer versuchen, dir mehr rauszuholen, dagegen spricht nichts. Vor allem, wenn dein neuer Arbeitsplatz nicht ganz mit dem Gehalt lockt, dass dir zustände, ist das oft eine tolle Möglichkeit, mit der neuen Arbeitsstelle auf einen Nenner zu kommen.
  • Kollektivvertragliche Vereinbarung: Unterliegt dein Vertrag einem Kollektiv? Das sollte er tun, ein Kollektivvertrag regelt Gehälter und Arbeitsbedingungen. Sollte dein Vertrag keinem Kollektiv unterliegen, tust du gut daran, den passenden Kollektiv für deine Tätigkeit zu finden und zu überprüfen, ob dein Vertrag alles beinhaltet, was dir in deiner Branche zusteht.
  • Probezeit: Die Probezeit ist in Österreich fast immer ein Monat. Sie gibt sowohl dir als auch dem:der Arbeitgeber:in die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb des ersten Monats zu beenden. Nutze die ersten Wochen also dazu, alle Fragen zu stellen, die dir durch den Kopf gehen und versuche herauszufinden, ob dein:e Arbeitgeber:in und du gut zueinander passt. Solltest du keine anderen Angebote haben, kannst du deinem neuen Job ruhig etwas mehr Zeit geben. Es dauert ein halbes Jahr bis Jahr, bis du in deinem Job mit all seinen Aufgaben wirklich angekommen bist. Stress dich nicht zu sehr, solltest du nicht alles auf Anhieb wissen, du wirst sehen: Mit Zeit kommt Rat. Toller Spruch oder? Ich hab noch einen zweiten für dich:  Diesmal aber von Chat GPT zur Probezeit: Die KI meint dazu nämlich Folgendes: „Vergesst nicht, auch die Probezeit zu überleben – das ist wie eine Achterbahnfahrt, nur ohne Gurte.“ Wie ermutigend. Dürfte ein harter Start gewesen sein für die künstliche Intelligenz.  

2. Show me the Money: Gehalt und angemessene Entlohnung 

In manchen Branchen wirst du um einen ALL-IN Vertrag leider nicht herumkommen. Deshalb umso wichtiger, dass du genau in diesen Fällen darauf achtest, angemessen entlohnt zu werden. Auch ein All In Vertrag kann dich nicht zwingen, mehr als die gesetzliche Maximalarbeitszeit zu arbeiten. Sollte das bei dir also regelmäßig der Fall sein: Stell dich auf deine Hinterbeine und setz dich für deine Rechte ein. Die meisten Branchen haben außerdem Kollektivverträge, ob dein Arbeitsvertrag nun unter Kollektiv läuft oder nicht. Ein KV für deine Branche gibt dir einen guten Anhaltspunkt, wie deine Bezahlung und deine Stunden aussehen sollten.  

3. Safety First, Abgabefristen Second: Arbeitsschutz und Sicherheit 

Auch dieser Bereich ist stark von deiner Branche abhängig. Bei Schichtarbeit mit schweren Geräten verstehen viele, dass Sicherheit großgeschrieben werden muss, aber auch beim Büroarbeitsplatz, oder am Dreh sollte Sicherheit für alle Beteiligten immer mitgedacht werden. Jeder Betrieb braucht beispielsweise (je nach Betriebsgröße) Ersthelfer:innen mit passender Ausbildung. Du solltest diese Person in deiner unmittelbaren Nähe kennen. Gibt es keinen, informiere dich. Vielleicht kannst auch du diese Person werden. So kannst DU im Notfall richtig handeln und eine Fortbildung/Auffrischung alle zwei Jahre ist auch noch drin. Fluchtwege, Feuerlöscher und Pausen gehören aber auch zur Sicherheit. Auch diese solltest du kennen und einfordern.  

4. Der Partyzug zieht weiter, aber du bist nicht mehr eingeladen? Autsch.. das klingt nach Kündigung 

Kündigungen tun weh. Besonders, wenn man sie nicht kommen sieht. In vielen Branchen sind sie üblicher als man denkt. Kenne deine Kündigungsfristen, (die findest du im Kollektivvertrag oder Arbeitsvertrag) und deine Rechte. Manchmal passieren Kündigungen aufgrund von betrieblichen Notsituationen und haben nichts mit deiner Arbeitsweise zu tun. Sollte es zu einer Kündigung kommen, versuche den Grund dafür so detailreich wie möglich herauszufinden. Das kann dir zum einen für deine weitere Arbeitsweise helfen, sollte beispielsweise ein grober Fehler passiert sein oder die Kündigung aufgrund von Fahrlässigkeit ausgesprochen werden. Zum anderen kann es dir bei der Verhandlung von eventuellen Abfindungen oder Freistellungen helfen, sodass du weißt, wie du dich bis zum nächsten Job erhalten kannst. Kündigungen tun fast immer weh, oft sogar, wenn sie einvernehmlich sind. Sei es die Arbeit selbst, das Team, die Entlohnung, die Routine oder einfach die Art und Weise, wie du gegangen (worden) bist.  Die Welt ist aber glücklicherweise voller neuer Möglichkeiten und Arbeitsplätzen, und ein Ende ist immer auch ein neuer Anfang.  

5. Give me them Goodies and Benefits 

Firmen, in denen du viele Stunden machst, locken auch oft mit vielen Benefits. „Unser Obstkorb zur freien Entnahme“ oder „Teamfrühstück einmal im Monat“ liest man in jeder zweiten Jobannonce. Vitamine sind natürlich toll, worauf du aber wirklich achten solltest, sind betriebliche Altersvorsorgen, verlängerter Mutterschutz/Elternkarenz/Papamonate, Extraboni oder Betriebsbeteiligungen. Work from Anywhere und Klimaticket. Letztere können ein schwaches Gehalt ausgleichen und sind für dich steuerfrei! „Ka-tsching“ schreit die Pensions-Kasse.  

6. Hilfe, ich blicke nicht durch! 

Wenn ihr Fragen zum Arbeitsrecht habt, aber vor lauter Paragrafen den Wald nicht seht, haben wir Abhilfe. Denn spätestens durch Rechtshilfe, die du vielleicht schon über eine tolle Privatversicherung abdeckst, verfliegen deine Fragezeichen vor den Augen. Keine Versicherung? Keine Panik! Mit deinem Beruf bist du ganz automatisch Teil der Arbeiterkammer, und die hilft dir ganz bestimmt. Einfach auf der Webseite nach den Kontaktdaten zu deinem Bundesland informieren und eine E-Mail schreiben. Häufig wird dir dann ein privater Termin oder Telefonat angeboten, bei dem dir geholfen wird. Die Arbeiterkammer ist übrigens auch deine Anlaufstelle für Rechtsfragen, wenn dir bereits Unrecht getan wurde. Fehlende Auszahlung von Urlaubsgeld beispielsweise.  

Habt hier keinen falschen Stolz: Nutzt Ressourcen wie offizielle Websites, Beratungsstellen und eure eigenen klugen Köpfe. 

Arbeiten kann so schön sein, wenn man etwas tut, das einem gefällt, gut entlohnt wird, dir Freiheiten gibt, oder wenn es dir ein wundervolles Team bietet. Du ganz alleine entscheidest, was dir wichtig ist. Und wenn du das am Beginn deiner Karriere noch nicht weißt und laut ALLES davon schreist, dann findest du das sehr schnell heraus. 🙂

Die Sofa-Nachhilfe wünscht dir natürlich, dass du da draußen zeigen kannst, was in dir steckt und genau dafür wertgeschätzt wirst. Auf welchem Weg auch immer.  

In diesem Sinne: Möge die Arbeitskraft mit euch sein! 

Weiterführende Infos: https://www.fachanwalt.de/magazin/arbeitsrecht/

Eure Sofa-Nachhilfe

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