Das SOFA Magazin berichtet im Januar zum Thema „mentale Gesundheit“ und widmet sich in diesem Artikel der Tradition der Neujahresvorsätze. Wir haben uns gefragt, wie effektiv die Vorsätze wirklich sind, oder ob sie uns doch nur unter Druck setzen. Ist es vielleicht sogar toxisch, sich jedes Jahr vorzunehmen, sein Leben umzukrempeln, wenn man doch insgeheim weiß, dass die Ziele viel zu groß angesetzt sind? Woher die Tradition kommt, was Neujahresvorsätze für unsere mentale Gesundheit bedeuten und wie man sich stattdessen motivieren kann, einen gesünderen Lebensstil zu verfolgen – all das erfahrt ihr hier.
Happy 2025! Ein neues Jahr ist angebrochen. Genau der richtige Zeitpunkt, um sich endlich im Fitnessstudio anzumelden, mit dem Rauchen aufzuhören und nach den ganzen Weihnachtsgeschenken etwas Geld zu sparen. Ganz nach dem Motto „New Year – New Me“. Im neuen Jahr sollte man endlich weniger Alkohol trinken, bei der nächsten Prüfung früher mit dem Lernen anfangen und sich ganz allgemein gesünder ernähren. Sich wieder öfter bei der Oma melden, früher schlafen gehen, häufiger raus an die frische Luft gehen, weniger Bildschirmzeit einhalten, wieder mehr lesen und endlich eine neue Fremdsprache lernen. Ganz schön viel zu tun, nicht wahr?
Die Tradition der Neujahresvorsätze
Jedes Jahr am 1. Jänner starten Millionen von Menschen weltweit mit großen Plänen in das neue Jahr. Mehr Sport, gesünder essen, weniger Stress – Neujahrsvorsätze sind für viele ein fester Bestandteil des Jahreswechsels und symbolisieren den Wunsch nach einem Neuanfang. Doch woher kommt eigentlich diese Tradition?
Die Wurzeln der Neujahrsvorsätze lassen sich bis ins alte Babylon vor etwa 4.000 Jahren zurückverfolgen, so das National Geographic Magazin. Dort feierten die Menschen das neue Jahr im März mit einem zwölf-tägigen Festival und schworen dabei ihren Göttern, Schulden zurückzuzahlen oder geliehene Gegenstände zurückzugeben. Auch in der römischen Antike spielte der Jahresbeginn eine besondere Rolle: Der Monat Jänner wurde nach Janus benannt, dem zweigesichtigen Gott der Türen und Übergänge, der sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken konnte. Die Römer nutzten diese Zeit, um über sich selbst zu reflektieren und ihre Handlungen für das kommende Jahr zu überdenken.
Heute sind die Neujahrsvorsätze für die meisten von uns weniger spirituell, dafür umso mehr von einem Selbstoptimierungsdrang geprägt. Sie sollen uns motivieren, schlechte Angewohnheiten abzulegen, bessere Versionen unserer selbst zu werden und mit dem neuen Jahr eine Art Neustart zu wagen. Doch genau hier liegt das Problem: Der hohe Druck, gleich am ersten Tag des Jahres alles anders und vor allem besser zu machen, kann schnell in Frustration und Schuldgefühlen enden.
Das SOFA Magazin wirft pünktlich zu Beginn von 2025 einen kritischen Blick auf die Tradition: Verhelfen Neujahrsvorsätze wirklich zu einem motivierenden Start ins neue Jahr – oder schaden sie unserer mentalen Gesundheit?
Der ewige Kreislauf der Selbstoptimierung
Zum Jahreswechsel wächst der Druck, sich in allen Lebensbereichen zu verbessern. „New Year, New Me“ lautet das Mantra, das uns überall begegnet: von Werbekampagnen über Social-Media-Beiträge bis hin zu Gesprächen unter Freund:innen
Insbesondere soziale Plattformen tragen maßgeblich zu diesem Druck bei. Instagram, TikTok und Co. sind Anfang Jänner voll von inspirierenden Posts, die den perfekten Start ins neue Jahr vorgaukeln. Influencer:innen teilen Fitnessroutinen, Diätpläne oder Morgenrituale, die der Schlüssel zu einem glücklicheren, gesünderen Leben seien sollen. Diese Inhalte führen bei vielen jedoch zu Selbstzweifeln, da sie sich mit unrealistischen Idealen vergleichen, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Auch die Werbebranche nutzt gezielt die Zeit zu Beginn eines Jahres, um Produkte zu vermarkten, die Veränderungen erleichtern sollen – vom Fitnessstudio-Abo über teure Coaching-Programme bis hin zu vermeintlich unverzichtbaren Gadgets wie Kalorien-Trackern. Dabei wird suggeriert, dass man ohne diese Produkte weniger erfolgreich oder diszipliniert wäre. Diese Strategie schürt nicht nur Konsumdruck, sondern auch die Angst, beim Start ins neue Jahr zu versagen.
Hinzu kommt, dass Selbstoptimierung oft als moralisches Ideal dargestellt wird: Wer es nicht schafft, sich zu verbessern, gilt als faul oder undiszipliniert. Dabei sind doch viele Vorsätze von Anfang an zum Scheitern verurteilt – sei es durch fehlende Ressourcen, zu hoch gesteckte Ziele oder äußere Umstände wie Stress und Zeitmangel.
Insgesamt trägt dieser allgegenwärtige Druck dazu bei, dass der Jahresanfang für viele weniger mit Motivation und mehr mit Selbstkritik und Frustration verbunden ist. Statt Erleichterung bringt der Versuch, ein „besseres Ich“ zu schaffen, zusätzlichen Stress – ein Effekt, der der ursprünglichen Idee von Neujahrsvorsätzen völlig entgegenwirkt.
Die toxische Seite von Neujahrsvorsätzen und warum sie oft scheitern
Laut dem SWR werden innerhalb der ersten Woche des neuen Jahres über ein Viertel der Neujahresvorsätze bereits wieder verworfen. Meist scheitern sie an unrealistischen Zielen, mangelnder Planung und fehlender intrinsischer Motivation. Vorsätze wie „täglich meditieren“ oder „10 Kilo abnehmen“ bleiben ohne konkrete Schritte und persönliche Überzeugung oft unerreichbar.
Und so können Neujahresvorsätze auch toxisch werden: Sie erinnern an toxische Positivität – die Annahme, dass man mit genügend Willenskraft alles erreichen kann. Wer scheitert, fühlt sich dann minderwertig und sieht das Problem bei sich selbst, nicht bei den unrealistischen Anforderungen.
Diese Dynamik kann ernste psychologische Folgen haben: Depression, Angst und Selbstzweifel werden begünstigt, wenn der Fokus ausschließlich auf Selbstoptimierung liegt. Die Welt folgert, dass der Jahresanfang so für viele weniger zu einem Motivationsschub wird als zu einer Quelle von Frustration und Druck.
Neujahrsvorsätze sind daher oft keine nachhaltige Strategie, sondern ein kurzfristiger Impuls, der langfristig mehr schadet als nützt. Stattdessen könnte ein bewussterer, flexibler Ansatz helfen, der den individuellen Alltag und die eigene Belastbarkeit berücksichtigt.
Alternativen zu Neujahrsvorsätzen
Neujahrsvorsätze sind oft von einem Gefühl des „Alles-oder-Nichts“ geprägt: Entweder man erreicht das Ziel, oder man hat versagt. Doch es gibt Alternativen, die weniger Druck erzeugen und nachhaltiger wirken.
- Fokus auf Werte statt Ziele
Statt starrer Ziele könnt ihr euch auf Werte konzentrieren, die euch wichtig sind. Beispielsweise könnte der Vorsatz „mehr Sport treiben“ in den Wert „gesundes Leben“ übersetzt werden, den man wiederum durch verschiedene kleine Gewohnheiten fördern kann – sei es durch einen Spaziergang, eine ausgewogene Mahlzeit oder ausreichend Schlaf. Dadurch kommt durch verschiedene Umsetzungen dieses Werts das Gefühl eines Erfolgserlebnisses auf und die Motivation, weiterzumachen, bleibt eher bestehen.
- Mikroziele setzen
Kleine, realistische Schritte sind oft effektiver als große Veränderungen. Statt „ich will 10 Kilo abnehmen“ könnte ein Mikroziel lauten: „Ich trinke jeden Tag ein Glas Wasser mehr.“ Solche Mini-Erfolge motivieren und bauen langfristig Gewohnheiten auf, die nachhaltig wirken.
- Flexibilität und Akzeptanz
Es ist wichtig, Rückschläge als Teil des Prozesses zu akzeptieren. Niemand ist perfekt, und Veränderungen brauchen Zeit. Statt euch wegen eines Ausrutschers zu verurteilen, könnt ihr reflektieren, was nicht funktioniert hat und dementsprechend die Herangehensweise anpassen. Flexibilität und Selbstmitgefühl fördern nicht nur das Durchhaltevermögen, sondern auch die mentale Gesundheit.
Fazit: Ein bewusster Start ins neue Jahr
Neujahresvorsätze können durchaus gut funktionieren, sollten aber nicht zu ernst genommen werden – vor allem, wenn sie unrealistisch oder zu strikt formuliert sind. Der gesellschaftliche Druck, am Jahresanfang sofort ein „besserer Mensch“ zu werden, kann Frustration, Stress und Selbstzweifel auslösen.
Ein achtsamer Umgang mit Veränderungen bietet eine positive Alternative: Statt mit großen Vorsätzen ins neue Jahr zu starten, könnt ihr Werte ins Zentrum stellen, kleine Schritte gehen und euch die Freiheit nehmen, auch mal Fehler zu machen. Das neue Jahr ist keine Deadline für die perfekte Version von euch selbst, sondern eine Gelegenheit, bewusst zu reflektieren und die eigene Entwicklung wertzuschätzen.
Im ganzen Jänner legen wir unseren Fokus auf das Thema mentale Gesundheit. Also schaut gerne nochmal nächste Woche vorbei, wenn ihr dieses Jahr einen ganz bestimmten Vorsatz gefasst habt: Nur das zu tun, was euch guttut.